Digitalisierung verstärkt Benachteiligung

Die Stiftung Lesen hat im Herbst 2020 das Institut für Demoskopie Allensbach für eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage zur Bedeutung von Lesen und Schreiben in einer zunehmend digitalisierten Welt beauftragt. Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Erste Ergebnisse wurden zur Halbzeit der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (AlphaDekade) im März 2021 veröffentlicht.

Die zentralen Befunde:

Lesen, Rechnen und Schreiben gehören für eine klare Mehrheit der Bevölkerung zu den wichtigsten Kompetenzen – auch dann, wenn sie selber keine formal hohe Bildung haben:

  • Für 71 Prozent der Gesamtbevölkerung ist Lesen eine der besonders wichtigen Fähigkeiten. Ähnlich wichtig ist Rechnen (70 %), Schreiben wird von etwas weniger Befragten, aber immer noch einer Mehrheit als zentrale Fähigkeit wahrgenommen (64 %).
  • Aus Sicht einer klaren Mehrheit ist die Bedeutung des Lesens im Zeitverlauf gestiegen: Neun von zehn Befragten meinen, dass Lesen genauso wichtig (55 %) oder wichtiger (36 %) sei als vor 20 Jahren. Die Gruppe derjenigen, die eine wachsende Bedeutung von Lesen wahrnimmt, ist 2020 mit 36 Prozent deutlich höher als 2018 (22 %).
  • Fast 10 % stimmen der Aussage zu, dass sie lesen anstrengend finden. In der Gruppe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gering literalisierte Personen.

Bildungs- und leseferne Bevölkerungsgruppen sind mit zunehmender Digitalisierung benachteiligt. Dass alltägliche Aufgaben zunehmend ausschließlich digital erledigt werden können, verschärft Ungleichheit und Zugangschancen in der Bevölkerung. Besonders gravierend sind die Einschränkungen für Erwachsene einzuschätzen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können:

  • 70 % der Befragten halten den Umgang mit dem Computer für eine besonders wichtige Fähigkeit: Hoch Gebildete sehen zu 79 %, einfach Gebildete nur zu 52 %, dass der Umgang mit digitalen Endgeräten eine zentrale Kompetenz ist. Dies spiegelt die unterschiedliche Notwendigkeit zur Nutzung digitaler Angebote im Alltag und die entsprechende Praxis in den Bildungsgruppen.
  • 40 % der Befragten mit formal einfacher Bildung sehen der Digitalisierung und ihrer Auswirkung auf den persönlichen Alltag stärker mit Befürchtungen als mit Hoffnungen entgegen (vs. 28 Prozent der Hochgebildeten).
  • 31 % Prozent der Befragten mit einfacher Bildung und 37 % der Personen, die Lesen anstrengend finden, fällt es schwer oder sehr schwer, im Zusammenhang mit Corona die Information zu erhalten, die sie suchen und brauchen. Unter den höher Gebildeten sagen das nur 15 %.
  • Als Hauptprobleme werden die Fülle, Länge und Komplexität von Information genannt, die nahezu ausschließlich digital verfügbar ist.

Mit Blick auf den Förderschwerpunkt „arbeitsplatzbezogene Grundbildung und Alphabetisierung“ in der AlphaDekade haben wir die Gruppe der un- und angelernten Arbeitskräfte gesondert betrachtet:

  • Angelernte Arbeitskräfte nehmen seltener als der Bevölkerungsdurchschnitt wahr, dass Lesen wichtiger geworden ist (26 % gegenüber 36 % gesamt).
  • 43 % fällt es schwer oder sehr schwer, relevante Information zu Corona zu finden, die gerade für sie besonders wichtig ist (21 % gesamt).
  • Mehr als jede Vierte angelernte Arbeitskraft sagt, dass Lesen anstrengend ist (28 % gegenüber 9 % gesamt). Nur 44 % von ihnen fällt Lesen leicht (66 % gesamt).
  • Auffallend viele angelernte Arbeitskräfte sehen Digitalisierung mit mehr Befürchtungen als Hoffnungen entgegen (43 % gegenüber 32 % gesamt).
Die Folie zeigt die Verankerung von Lesen im Alltag.

(c) Stiftung Lesen

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier: https://www.alphadekade.de/de/bildungsferne-bevoelkerungsgruppen-drohen-durch-digitalisierung-abgehaengt-zu-werden-2833.html